Mobile Payment: Zukunfts­technologie oder Rohr­krepierer?

Seit Jahren versprechen Banken, Technologiekonzerne und Telefonanbieter, das Portemonnaie durch unseren alltäglichen Begleiter – das Smartphone – zu ersetzen. Doch hat diese Technologie eine Zukunft? Der folgende Post erläutert was sich hinter dem Phänomen Mobile Payment verbirgt.

App-basierte Lösungen wie Stocard bieten bereits eine nutzerfreundliche Alternative für die digitale Verwaltung eines Großteils aller Kundenkarten. Geht es aber ums Bezahlen, liegen Wunsch und Wirklichkeit in Deutschland trotz vieler Verbesserungen im letzten Jahr noch weit auseinander. So führte Payback zwar eine mobile Bezahlmöglichkeit ein, die erstaunlich großes Interesse weckte (Lebensmittel Zeitung), jedoch fehlt mit Apple Pay weiterhin eines der führenden mobilen Zahlungssysteme weltweit (Die Welt).

Die Grundlage: Was ist Mobile Payment?

Doch was versteht man überhaupt unter Mobile Payment? Eine einfache Definition beschreibt Mobile Payment als den Einsatz von Smartphones als Gerät, um finanzielle Zahlungen für Waren und Dienstleistungen zu initiieren, zu autorisieren und abzuschließen. Diese Definition ist umfassend, da sie Konsumenten und Händler sowie online und offline Zahlungen berücksichtigt.

Abbildung 1 verdeutlicht wie vielfältig das Angebot an Produkten und Dienstleistungen im Bereich Mobile Payment für Konsumenten und Händler in Offline- und Onlinekanälen ist. Dabei unterscheiden wir zwischen Verkaufskanal und Empfängern der Transaktion.

Mobile Payment-Unternehmen
Abb. 1: Produkte und Dienstleistungen im Mobile Payment (Auswahl)

Verkaufskanal

Smartphones können in zwei Verkaufskanälen zum Geldausgeben genutzt werden: Online im mobilen E-Commerce (teilweise auch als M-Commerce bezeichnet) und Offline im traditionellen Handel. Einkaufen mit dem mobilen Endgerät auf der mobilen Website von Amazon zählt demzufolge genauso zu Mobile Payment wie das Erstehen von Apps aus dem App Store – bei der eigentlichen Zahlungsabwicklung können hier auch ganz traditionelle Zahlungsmethoden, wie bspw. die Rechnung, zum Einsatz kommen. Die offline Form von Mobile Payment wird beispielsweise beim Bezahlen an der Kasse eines Händlers im Laden oder an Ticketautomaten genutzt.

Empfänger

Die Nutzungsmöglichkeiten von Mobile Payment lassen sich auch nach Empfängern unterscheiden:

  • Händler (B2C): Im stationären Beriech haben Händler verschiedene technologische Möglichkeiten, Zahlungen durch Mobile Payment entgegenzunehmen. Erstens kann Mobile Payment durch ein geeignetes Kassensystem ermöglicht werden: Zur Kommunikation mit Smartphones können NFC-Leser oder QR-Scanner genutzt werden. Zweitens besteht die Möglichkeit, das traditionelle Kassensystem direkt durch ein Smartphone zu ersetzen, welches durch zusätzliche Hardware auch Kartenzahlungen entgegennehmen kann – ein Beispiel hierfür ist das Unternehmen SumUp. Welches technische System der Konsument nutzen kann, wird häufig durch die Möglichkeiten des jeweiligen Smartphones bestimmt. So sind Mittlerweile fast alle neuen Smartphones mit NFC ausgestattet. Dennoch unterbinden große Hersteller wie Apple die Nutzung der Komponenten außerhalb der eigenen Services (Golem). Das ist unter anderem der Grund, warum Payback Pay für iOS Nutzer immer noch auf die häufig verwendeten QR-Codes angewiesen ist. Im mobilen Onlineshopping müssen Kassensysteme nicht erweitert oder ersetzt werden, sondern werden mobile Bezahlsysteme einfach vom nicht-mobilen Onlineshop übernommen (z.B. Amazon Pay).
  • Konsumenten (C2C): Auch Konsumenten können durch Mobile Payment Geld erhalten. Es geht hierbei vor allem um das verschicken von kleineren Beträgen im Freundes- und Familienkreis. In den USA ist das Konzept vor allem durch Venmo bekannt. In Deutschland wurde das Model bekannt durch prominentes Scheitern der gehypten App Cookies (Gründerszene). Wer das Model trotz Anlaufschwierigkeiten ausprobieren möchte, hat dazu bei Cringle die Möglichkeit.
  • Mischformen: Einige der Lösungen werden wegen ihrer Flexibilität sowohl zur Bezahlung zwischen Konsumenten (C2C) als auch zur Bezahlung im Online-Shop-genutzt (B2C). Zusätzlich werden spezialisierte Dienstleistungen und Produkte ständig erweitert, um ein größeres Anwendungsfeld zu finden.

Insgesamt kann man feststellen, dass vor allem im Offlinehandel die Nutzungsmöglichkeiten von Mobile Payment in Deutschland stark eingeschränkt sind . Dies liegt an der Zurückhaltung der Anbieter (z.B. Apple), aber auch an der schleppenden Infrastrukturumstellung der Händler.

Zahlungsmechanismen im Mobile Payment

Neben den Dimensionen Marktzugang und Marktakteure lässt sich Mobile Payment auch durch den zugrundeliegenden Zahlungsmechanismen klassifizieren. Dabei spielen aktuell drei Zahlungsarten eine wichtige Rolle.

  1. Ein hinterlegtes SEPA Mandat erlaubt es dem Payment Service, direkt Abbuchungen vorzunehmen. Diese Technik wird bspw. bei Payback Pay eingesetzt.
  2. Ein etabliertes Zahlungsmittel (z.B. EC Karte, Kreditkarte) wird hinterlegt und durch die Nutzung von Mobile Payment weiterbelastet. Paypal nutzt bspw. eine hinterlegte Kredit- oder EC-Karte, um Bezahlungen mit dem Smartphone an der Shell Tankstelle abzurechnen (Shell).
  3. Eine etwas ältere Abrechnungsmethode stellt das Bezahlen über die Telefonrechnung dar – im Englischen Direct Carrier Billing genannt. Damit lassen sich nicht, wie allgemein vermutet, nur Klingeltöne (Jamba) sondern auch Zeitschriften (Stiftung Warentest) bezahlen. Außerhalb Deutschlands, in Ländern mit unterentwickelter Zahlungsinfrastruktur, wird das Abbuchen auf der Telefonrechnung oder dem Prepaid-Guthaben wesentlich umfangreicher genutzt. Das prominenteste Beispiel „M-Pesa“ wurde 2007 von Vodafone in Kenia eingeführt und hat viele Funktionen eines traditionellen Bankkontos übernommen (Die Zeit).

Abgrenzung zum E-Wallet

Im Zusammenhang mit Mobile Payment fällt häufig auch der Begriff E-Wallet – teilweise auch Digital Wallet genannt. Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen, um eine zusätzliche App die mehrere Accounts und Zahlungsmittel wie Girokonto, Kreditkarte, oder paydirekt des Nutzers bündelt. Zusätzlich stellt das Wallet ein eigenes Konto zur Verfügung, auf das Geld eingezahlt werden kann und das für Transaktionen zur Verfügung steht. Um zu einem echten Ersatz für das reale „Wallet“ zu werden, beinhalten E-Wallets zusätzliche Funktionen wie die Verwaltung von Tickets (Reisen, Veranstaltungen), Identifikationskarten und Kundenkarten.

Langer Weg für Mobile Payment in Deutschland

Da die Verfügbarkeit von Mobile Payment gerade im stationären Bereich stark von den Anbietern der Lösung und Händlern abhängt, ist es fraglich, ob mobiles Bezahlen in naher Zukunft schnell und flächendeckend in Deutschland verfügbar sein wird. Vermutlich wird erst mit dem Eintreten von großen Anbietern (z.B. Apple) der nötige Druck im Markt entstehen, um die nötigen Investitionen im stationären Handel und Adoption bei den Konsumenten auszulösen. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass in Deutschland eher eine technologisch komplizierte Lösung eingeführt wird (z.B. über NFC), als sich mit einfachen Zwischenlösungen (z.B. Scan eines QR-Codes, wie etwa bei WePay in China – siehe auch der vergangen Post zu WeChats Aufbau einer Kundenzugangs durch mobiles Bezahlen). Auch regulatorisch bestünde die Möglichkeit, mobiles Bezahlen schneller in die Fläche zu bringen. Anders als in Ländern wie Indien, die mobile Zahlungsdienste zur strategischen Priorität erklärt haben (Deutschlandfunk), ist dies in Deutschland eher nicht zu erwarten. Deshalb ist es auch mit vielen kleinen Verbesserungen in Deutschland noch ein weiter Weg zur Portemonnaie-freien Zukunft.


Joe Boden Der Autor, Joe Boden ist Unternehmensberater bei McKinsey & Company mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Handel. Er promoviert derzeit an der HHL Leipzig Graduate School of Management zum Thema Zahlungsmittel im Handel. Ein weiterer Beitrag befasst sich mit Ladesäulen im Handel, als möglicher Treiber der Mobilitätswende.