Jedes Weihnachtsfest geben wir zu viel Geld für Geschenke aus, die niemandem gefallen. Der neue Füller für den Schwiegersohn, die zu teure Küchenmaschine oder die leere Verheißung „Wir schenken uns nichts!“. Warum eigentlich? Der folgende Artikel wagt acht, teils etwas augenzwinkernde, konsumpsychologische Erklärungen.
(1) Warum zahlen wir oft zu viel für Geschenke?
Wer kennt das nicht? Sie haben die Wahl zwischen verschiedenen Produkten einer Kategorie – zum Beispiel wunderbaren Bohrmaschinen oder schillernden Topfsets – und haben ein bestimmtes Budget für das Geschenk. Nach diesem müssten Sie eigentlich das Günstigste der angebotenen Produkte nehmen. Unter den angebotenen Produkten befindet sich aber ein besonders hochwertiges und teures, welches vermutlich auch noch besonders prominent positioniert ist. Und schon sind Sie in der Falle.
Wir sprechen hier von „Ankereffekten“: ein teures Produkt kann die Spanne von akzeptablen Preisen nach oben verschieben, wodurch Sie bereit sind, generell mehr auszugeben. Verstärkend kommt hinzu, dass Konsumenten eine Tendenz zur Mitte zeigen, also häufig weder das teuerste noch das billigste Produkt kaufen möchten. Welches Produkt haben Sie am Ende gekauft? Vermutlich eines welches etwas teurer war, als Sie ursprünglich geplant hatten. Der Anker hat seinen Dienst getan.
(2) Warum kaufen wir zu teure Dinge für Menschen, die uns nicht nahe stehen?
Sie müssen ein Geschenk für jemanden kaufen, der ihnen nicht so nahe steht: zum Beispiel ihre Vorgesetzte oder ihre Schwiegermutter. Hier ist es wahrscheinlich, dass Sie zu etwas Teurem greifen, aber warum? Einerseits haben Geschenke symbolischen Charakter und etwas Wertvolleres signalisiert Wertschätzung (siehe Beispiel Vorgesetzte). Andererseits kennzeichnet Beziehungen zu Menschen, die uns nicht nahe stehen, eine gewisse soziale Distanz. Diese Distanz führt zu einem abstrakteren Nachdenken über die Bedürfnisse der/des Beschenkten, wodurch Beurteilungskriterien wie Nützlichkeit hinter solche wie Begehrtheit zurück treten (folgend der sogenannten „Construal Level Theory“).
Das Problem ist, das besonders begehrenswerte Produkte auch meistens sehr teuer sind. Wenn Sie ihrer Schwiegermutter also mal wieder das teure Hermès-Halstuch gekauft haben, könnte es an der sozialen Distanz gelegen haben. Tipp: vielleicht lernen sie die Beschenkten einfach besser kennen, das spart dann auch Geld.
(3) Warum kaufen wir missglückte Überraschungen, statt uns an Wunschlisten zu halten?
Nicht nur Kinder machen Wunschzettel, sondern mittlerweile gibt es diese digital beim Onlinehändler oder in der Whatsapp-Gruppe der Familie. An sich würden diese Listen den Geschenkekauf deutlich vereinfachen: man kauft das gewünschte Produkt, vielleicht sogar über einen Link, und alle sind zufrieden. Gut, diese Art des Geschenkes ist nicht sonderlich kreativ und gleicht eher einem materialistischen Tauschhandel.
Doch genau hier liegt die Gefahr: jede kreative Abweichung von der Wunschliste setzt Sie Informationsasymmetrien aus. Das heißt, dass die zu Beschenkenden natürlich mehr über sich selbst wissen, als Sie als Schenkende(r). Sie kaufen also statt des Topfsets lieber einen Thermomix, weil der ja ganz toll sein soll und viel Arbeit abnimmt – dumm nur, wenn der Beschenkte gern selber kocht. Oder sie finden, dass weiße Dekokerzen gerade voll im Trend liegen; schade, wenn die Beschenkte puristischer Bauhaus-Fan ist. Ihre eigenständige Mühe wird übrigens von der/dem Beschenkten eher nicht erkannt und wertgeschätzt. Zugegeben, je besser sie einander kennen, desto geringer werden Ihre Risiken bei einer Abweichung. Aber anders herum: wenn sie einander so gut kennten, bräuchten Sie dann einen Wunschzettel?
(4) Warum kaufen wir auffälligen Schund?
Sie stöbern gerade nach Geschenken, und da fällt ihnen etwas ganz Besonderes auf. Der neongrüne Rentierpullover aus Schurwolle oder die Lampe mit dem ungewöhnlichen Design. Ihre Aufmerksamkeit wurde vermutlich durch sogenannte Schema-Inkongruenz auf das Produkt gelenkt. Laut der Schematheorie verarbeiten wir Informationen anhand bestimmter Schemata: Weihnachtspullover sind Rot-Weiß oder Bioprodukte grün, Werbungstexte einer Marke folgen einem bestimmten Duktus, Bilder einem Stil (z.B. kraftvoll dargestellte Autos). Durchbricht ein Produkt eins dieser Schemata (z.B. der neongrüne Weihnachtspullover), ruft dies Inkongruenz ein tieferes Nachdenken hervor – und damit sind sie schon einen Schritt näher beim Kauf.
Lesen Sie auch zum Thema auf Handels.blog:
„Warum wir auf dem Weihnachtsmarkt Ramsch kaufen“
(5) Warum wirkt Selbstgemachtes wertvoll – meist aber nur für einen selbst?
Wir kennen es vom Verkauf von langjährigen Begleitern: das treue Fahrrad, die doch so bequeme Wohnzimmercouch oder das Sammlerstück wirken auf uns wertvoller, als auf potentielle Käufer. Grund hierfür ist der sogenannte Besitztumseffekt: wir bewerten Sachen die wir besitzen höher, als solche, die wir erwerben müssen. Dies lässt sich über persönliche Assoziationen mit dem Produkt (Produkt als Teil seiner Selbst) erklären, aber auch über die stärkere Wahrnehmung von möglichen Verlusten (gegenüber Gewinnen, die sogenannte Prospect-Theorie).
Ähnliches könnte auch bei selbstgemachten Geschenken passieren: sie selbst sehen ihre Arbeit und wie viel von sich selbst Sie in die schief getöpferte Tasse gelegt haben. Ungemein wertvoll! Der oder die Beschenkte sieht darin aber nur was es ist: eine schief getöpferte Tasse, die es kaum in einen Restpostenmarkt schaffen würde. Bevor Sie also Ihre Lieben mit Selbstgemachten oder anderen Dingen aus Ihrem Besitzt beglücken, reflektieren Sie erst, ob diese Geschenke vielleicht nicht nur für sie wertvoll erscheinen.
(6) Warum sind Geschenkkörbe eine Gefahr?
Zu manchen Freunden oder Verwandten fallen uns unzählige kleine und größere Geschenkideen ein. Bei anderen sind wir derart ratlos, dass wir uns lieber etwas absichern möchten. In beiden Fällen könnten wir nun mehrere Geschenke, oder gar einen ganzen Korb voller Geschenke zusammenstellen, getreu dem Motto: „Viel hilft viel“.
Tatsächlich kommt es beim Auspacken jedoch zu einem Durchschnittseffekt. Das gesamte Geschenk wird nicht als die Summe kleinerer und größerer Freuden wahrgenommen, sondern als Durchschnitt aus diesen. Dadurch können wir zwar die vernichtende Enttäuschung in den Augen der rätselhaften Schwiegermutter etwas abmildern, gleichzeitig wird jedoch besonders großer Freude über ein ausnahmsweise sehr treffendes Geschenk effektiv ein Riegel vorgeschoben. Und wer kann schon mit allem richtig liegen? Wenn Sie also eine gute Idee haben, lieber bei dieser einen Idee bleiben.
(7) Was wird aus der leeren Verheißung: „Wir schenken uns nichts“?
Wenn ein gewisses Maß an Überschwänglichkeit in regelmäßig einander beschenkenden Gruppen, zumeist Familien, erreicht ist, dann mag die Vereinbarung sich einmal nichts zu schenken wohltuend klingen. Doch werden sich auch alle daran halten? Unangenehm wäre es, wenn man selber dennoch ein Geschenk erhielte, und aber keines für den/die Gegenüber vorbereitet hätte. Auch der Verweis auf den guten Glauben an die Abmachung würde in dieser Situation wohl nicht besinnlichkeitsstiftend sein.
Diese Situation ähnelt dem klassischen ökonomischen Gefangenendillema: Wenn sich alle Beteiligten an die Abmachung halten und nichts schenken (oder in der klassischen Variante in Untersuchungshaft nicht mit der Polizei reden), dann ist vermutlich alles gut. Die Bescherung wird zwar nicht so opulent wie sonst, doch niemand muss dabei besonders unglücklich sein. Sollten wider die Absprache alle Beteiligten ein Geschenk dabei haben, dann ist es auch nicht so schlimm. Zwar kann man sich halb scherzhaft gegenseitig schelten, aber man war ja selbst nicht besser.
Unangenehm sind nur die Situationen mit einseitigem Brechen der Abmachung. Im klassischen Dilemma ist dies die Situation, in der ein Gefangener für eine Strafmilderung „singt“ und damit den schweigenden Mitgefangenen hereinreitet. Das eigentliche Problem ist, dass es dadurch für alle Beteiligten am sichersten ist, doch ein kleines Notfallgeschenk dabei zu haben, nur für alle Fälle. Und so wird die Abmachung einander nichts zu schenken tatsächlich zur unwahrscheinlichsten Situation.
(8) Warum schenken wir unpassende Geschenke so selten weiter?
Im Prinzip sollte die Sache klar sein: Wir haben etwas geschenkt bekommen, jetzt gehört es uns. Wir können mit dem Geschenk machen was wir wollen. Nur leider ist die Freude an diesem neuen Besitz nicht besonders überschwänglich (wie denn auch, siehe oben). Zufälligerweise glauben wir, dass unser Bekannter, den wir auch erst im neuen Jahr treffen, große Freude an dem noch immer originalverpackten Mini-Zen-Garten hätte. Könnten wir das Geschenk also nicht einfach weiterverschenken?
Das Weiterschenken ist ein Affront am ursprünglichen Schenkenden, so glauben wir. Irgendwie ist mit dem Erhalt unseres Geschenk doch nicht alles Eigentum auf uns übergegangen, gefühlt zumindest hat der Schenkende noch immer Anteile an unserem Geschenk. Daher wird unser Mini-Zen-Garten vermutlich den ausgeglichenen Rest seines Daseins für harmonische Ruhe im Gästezimmerschrank sorgen. Tatsächlich ist dies jedoch ein Trugschluss: den Schenkenden ist üblicherweise klar, dass wir mit einem Geschenk tun und lassen können was wir möchten. Insofern wird man uns das Weiterschenken nicht besonders übel nehmen – solange der Mini-Zen-Garten nicht plötzlich aus der Mülltonne ragt, das wäre dann doch eher ein gefühltes Statement zur Qualität der Beziehung.
Wie an diesen Beispielen unschwer zu erkennen ist, werden wir auch in diesem Jahr wieder in so manche Geschenkefalle tappen. Aber nehmen Sie es nicht so schwer: den anderen Schenkenden wird es genauso gehen.