Sogenannte „nachhaltige Influencer“ versuchen durch Posts in den sozialen Medien zu nachhaltigem Verhalten und Konsum zu motivieren. Doch posten nachhaltige Influencer richtig? Unsere aktuellen Forschungsergebnisse zeigen, dass Zielgruppe und Zeitpunkt der Influencer-Posts eine entscheidende Rolle spielen und Verbesserungspotential besteht.
„Sustainability Superheroes“
Nachhaltige Influencer werden häufig auch als „grüne Influencer“ oder im Englischen als „green influencers“, „greenfluencers“ oder „sustainable influencers“ bezeichnet. Vor allem in sozialen Medien, wie Instagram, X/Twitter oder TikTok posten nachhaltige Influencer Inhalte, die zu einem ökologisch nachhaltigeren Verhalten aufrufen. Beispiele wären etwa der Verzicht auf Fleisch, eine nachhaltigere Mobilität (z.B. Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs), nachhaltige Mode oder die Nutzung von wiederverwendbaren Alternativen (z.B. Stahl- statt Plastikstrohhalme). In der Presse wird nachhaltigen Influencern große Bedeutung bei der Beeinflussung vor allem junger Zielgruppen zugeschrieben, weshalb sie teils auch als „Sustainability Superheroes“ bezeichnet werden (Forbes). Nachhaltige Influencer agieren eigenständig, werden aber teils auch gesponsort und arbeiten gewinnorientiert – sie sind daher auch zunehmend für Firmen interessant, die ihre nachhaltigen Produkte bewerben wollen.
Zwei unserer kürzlich veröffentlichten Studienbeiträge untersuchen Faktoren, die die Wirksamkeit der Beiträge von nachhaltigen Influencern beeinflussen.
Studie 1: Bedeutung der Einstellung der Zielgruppe
Der erste Beitrag („Preaching to the choir: Do green influencers make a difference?„, Sarah König und Erik Maier, Journal of Cleaner Production) untersucht, inwiefern die Einstellung der Follower der nachhaltigen Influencer eine Rolle für die Wirksamkeit der Influencer-Posts hat.
Eine Feldstudie von 900 Posts von 24 Influencern und 120 von deren Followern zeigt, dass nachhaltige Influencer vor allem diejenigen erreichen, die bereits nachhaltige Einstellungen haben (siehe Abb 1): Nachhaltige Influencer kommunizieren, wie auch ihre Follower, fast ausschließlich über nachhaltige Themen, und lassen andere Themen (etwa „Beauty“) weitestgehend außen vor. Darauf bezieht sich der Titel des Beitrages, welcher sich eines sprachlichen Bildes bedient: eine Predigt zum Chor (welcher bereits gläubig ist). In den sozialen Medien wird dies häufig auch unter dem Begriff „Aufmerksamkeitsblase“ beschrieben, aus der man nur Informationen erhält, die den eigenen Einstellungen entsprechen. Dies können wir, zumindest im Schnitt, auch für nachhaltige Influencer und ihre Follower feststellen („Gleich und Gleich gesellt sich gern“).
Auswirkung dieser Einstellungsgleichheit
Die zweite Feststellen betrifft die Auswirkung dieser Einstellungsgleichheit zwischen nachhaltigen Influencern und ihren Followern: da die Follower der nachhaltigen Influencer bereits sehr nachhaltige Einstellungen haben und eine hohe Absicht zeigen, sich nachhaltig zu verhalten, dürften die Posts der nachhaltigen Influencer nur einen geringen Effekt haben. Vereinfacht gesagt, brauche ich einer Veganerin nicht zu erzählen, dass Fleischkonsum einen hohen CO2-Ausstoß verursacht und deshalb reduziert werden sollte. In Abb. 2B und 2E sieht man, dass die Nutzungsintention von nachhaltigen Konsumalternativen (hier untersucht an der Absicht wiederverwendbare Strohhalme zu Nutzen) bei „grünen Konsumenten“ höher liegen, als bei nicht-grünen Konsumentinnen und Konsumenten—unabhängig vom vorherigen Influencer-Post.
Im Gegensatz dazu zeigt unsere Untersuchung, dass die größten positiven Auswirkungen auf Verhaltensabsichten durch Posts erzielt werden, die von Personen gelesen werden, die noch keine nachhaltige oder „grüne“ Einstellung haben. Abb. 2C und 2F zeigen, dass diese „nicht-grünen“ Follower deutlich stärker auf die Nachhaltigkeitsposts reagieren. Diese Effekte lassen sich auch statistisch zeigen.
Strategien für die Steigerung der Wirksamkeit
Dies legt zwei Strategien für die Steigerung der Wirksamkeit von nachhaltigen Influencern nahe:
- Nicht-nachhaltige Follower: Nachhaltige Influencer sollten versuchen, auch solche Personen als Follower zu gewinnen, die (noch) keine nachhaltige Einstellung und Lebensweise haben. Bei dieser Personengruppe kann das nachhaltige Verhalten noch gesteigert werden.
- Nicht-nachhaltige Influencer: Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung von „normalen“ Influencern, die bisher nicht zu Nachhaltigkeitsthemen posten, für den Klimaschutz. Diese „Nicht-nachhaltige Influencer“ erreichen ein Publikum, welches nicht nur zahlreich ist, sondern meist auch geringere nachhaltige Einstellungen zeigt, als die Follower von grünen Influencern. Hier können Posts zu nachhaltigen Themen eine positive Verhaltensveränderung auslösen. Was wäre, wenn Kylie Jenner ihren 128 Millionen Followern (in den USA) eine Vermeidung von Flügen empfehlen würde? Unser Beitrag schätzt eine mögliche jährliche Reduktion im Umfang des jährlichen CO2-Ausstoßes von 40.000 Personen.
Studie 2: Timing der Nachrichten von nachhaltigen Influencern
Der zweite Beitrag („The effect of green influencer message characteristics: Framing, construal, and timing”, Sarah König und Erik Maier, Psychology & Marketing) untersucht, inwiefern nachhaltigen Influencer die Gestaltung ihrer Posts (hier: Framing und Abstraktionslevel) an die mit unterschiedlichen Post-Zeitpunkten einhergehenden psychologischen Bedürfnisse ihrer Follower anpassen sollten.
In einem ersten Schritt analysiert eine Untersuchung von 1.000 Posts von 200 nachhaltigen Influencern die derzeitige Verteilung nach drei Merkmalen:
- Framing: Sind die Posts eher positiv („gain“) oder negativ („loss“) „geframt“? „Framing“ bedeutet, einer Nachricht eine bestimmte Bedeutung zuzuschreiben. Ein positives Framing stellt auf die positiven Konsequenzen nachhaltigen Handelns ab („Damit retten Sie die Umwelt“). Ein negatives Framing auf die schädlichen Konsequenzen des Unterlassens nachhaltigen Verhaltens („Wenn Sie das nicht tun, wird unser Planet zerstört.“).
- Abstraktion: Das Abstraktionslevel, hier also grobe Übersetzung des Fachbegriffs „Construal Level“, beschreibt, ob ein Post konkrete Handlungsempfehlungen gibt („Low Level of Construal“, bzw. niedriges Abstraktionslevel, z.B. „Nutzen Sie bei Ihrer nächsten Reise die Bahn statt das Flugzeug“) oder eher vage bleibt („High Level of Construal“, z.B. „Wir alle müssen nachhaltiger reisen.“).
- Zeitpunkt: Beim „Timing“ der Posts unterscheiden wir zwischen Wochen- und Wochenend-Posts.
Eine Beschreibung von derzeitigen Posts von nachhaltigen Influencern zeigt (Abb. 3), dass viele nachhaltige Influencer vor allem unter der Woche posten—und dies vornehmlich mit positiven „gain“ Frames und konkreten Anweisungen (low construal). Wochenend-Posts sind eher selten (nur 21% der Stichprobe). Insgesamt überwiegen positive „gain frames“ (88% der Posts) und ein niedriges Abstraktionsniveau (68%) in den Posts.
Post-Typen und ihr Zeitpunkt
Unsere Untersuchung zeigt, dass diese Post-Typen und ihr Zeitpunkt die Wirksamkeit der Nachrichten vermindern. Wir untersuchen hierzu das „Engagement“ mit einem Post, das heißt die Interaktion mit der Nachricht (z.B. über „Likes“ oder Kommentare). Engagement ist eine häufig im Influencer-Kontext genutzte Messgröße, die auch Influencer optimieren. Auch theoretisch führt höheres Engagement zu erhöhtem Verhaltensvorhaben und wiederum echten Verhalten (Theory of Reasoned Action, Theory of Planned Behavior).
Reale Beobachtungsdaten zeigen (Abb. 4: Pilot-Studie), dass unter der Woche negative „loss Frames“ mit geringem Abstraktionsgrad am meisten Engagement erzeugen (was wiederum zu einem höheren Verhaltensvorhaben führt). Am Wochenende hingegen funktionieren positive „gain Frames“ mit hohem Abstraktionsgrad am besten.
Zwei Experimentaluntersuchungen bestätigen diese Ergebnisse (Abb. 4: Studien 1 und 2). Theoretisch begründen lässt sich dies über eine unterschiedliche Reaktion auf die von den Post-Typen ausgelösten Wahrnehmungen von „Fluency“ und psychologischer Distanz zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Woche vs. Wochenende). „Gain Frames“ werden als angenehmer und „flüssiger“ (fluent) wahrgenommen, was vor allem am Wochenende zu einer Verbesserung der Einstellung gegenüber den Posts führt. Daher funktionieren „gain frames“ am Wochenende am besten, besonders wenn sie abstrakt sind (low construal).
Abstraktere Posts erhöhen die wahrgenommene psychologische Distanz—v.a. unter der Woche wünschen Follower aber konkrete und spezifische Inhalte mit geringer psychologischer Distanz. Wir argumentieren, dass Follower wochentags „abarbeitbare“ Answeisungen bevorzugen. Unter der Woche funktionieren Posts mit konkreten Handlungsempfehlungen daher am besten. Mehr Informationen zu diesem psychologischen Prozess und zu seinem empirischen Nachweis finden sich im Beitrag. Der Beitrag zeigt auch, dass eine Steigerung des Engagement (d.h. der Reaktion auf die Posts) mit einer Erhöhung der Absicht zu nachhaltigem Verhalten einher geht.
Veränderung der derzeitigen Post-Praxis
Daraus ergeben sich drei Implikationen für nachhaltige Influencer:
- Keine Einheitslösung: Es gibt keinen Standart-Post, der immer funktioniert. Nachhaltige Influencer sollten Framing und Abstraktionsgrad ihrer Nachrichten danach variieren, wann Sie posten möchten.
- Veränderung im Timing der derzeitigen Post-Praxis: In unserer Stichprobe haben derzeitige Posts überwiegend das falsche Framing bzw. den falschen Abstraktionsgrad. Die häufigste Post-Variante (Gain Frame, konkret/niedrige Abstraktion, unter Woche: 47%) hatte in allen drei Studien eher niedrige Engagement-Raten. Die sehr wirksamen Loss-Frames mit konkreten Inhalten, die unter der Woche gepostet werden, sind eher die Ausnahme (5% der Posts). Allgemein wird zu wenig am Wochenende gepostet—und mit falschem Framing und Abstraktionsgrad.
- Psychologische Wirkung bedenken: Framing und Abstraktionsgrad der nachhaltigen Social-Media-Posts lösen mentale Reaktionen aus (gefühlte „Fluency“/Flüssigkeit, gefühlte Distanz), deren Wahrnehmung wiederum vom Zeitpunkt abhängt. Dies erklärt die oben beschrieben Effekte. Nachhaltige Influencer sollten sich daher mit der psychologischen Wirkung ihrer Posts befassen.
Wie sähe also ein gelungener Post aus? Ein Beispiel aus dem Artikel illustriert dies.
- Am Wochenende empfiehlt sich ein positives (gain) Framing und hohe Abstraktion: z.B. „Nachhaltige Recyclingbecher sind ein Schritt in eine nachhaltige Zukunft. Nutzen Sie sich wiederverwendbare Produkt und reduzieren Sie Ihren CO2-Fußabdruck.“.
- Unter der Woche führt ein negatives (loss) Framing und niedrige Abstraktion (d.h. konkrete Anweisungen) zu mehr Engagement und Handlungsintention: z.B. „Der neue wiederverwertbare Becher „Evergreen Mug“ ist ein Schritt in eine nachhaltige Zukunft. Verwenden Sie bei jedem Kaffee, den Sie außer Haus trinken, einen Recyclingbecher–und reduzieren Sie Ihren CO2-Fußabdruck so um 110g je Kaffee.“
Eine mögliche Erklärung für die häufige Nutzung von konkreten Nachrichten mit positivem Framing könnte darin liegen, dass auch nachhaltige Influencer mittlerweile häufig gesponsort werden. Dabei müssen Sie ein konkrete Produkt empfehlen—und diese soll natürlich nicht mit einem negativen Framing assoziiert werden.