Omni-Channel im deutschen Handel

Das Thema Omni-Channel treibt den deutschen Handel um: nicht nur als Schlagwort für die Nutzung einer Vielzahl von Verkaufskanälen, sondern auch in seiner Umsetzung. Drei Entwicklungen fallen in diesem Zusammenhang besonders auf:

  1. die allgemein voranschreitende Integration der Verkaufskanäle,
  2. die Hinwendung der Online-Händler zu stationären Konzepten, und
  3. die Einbindung der Angebote stationärer Händler in Online-Verkaufsplattformen.

Die bewusste Integration der Verkaufskanäle ist es auch, die den Begriff „Omni-Channel“ vom häufig synonym verwendeten „Multi-Channel“ abgrenzt: beide bezeichnen den Vertrieb über mehrere Kanäle (z.B. stationär, online, mobil), beim „Multi-Channel“ werden diese Kanäle aber noch getrennt, als sogenannte „Silos“ gesteuert, wohingegen „Omni-Channel“ auf eine Integration der Verkaufskanäle abzielt, die die Grenzen zwischen den Verkaufskanäle verschwimmen lässt (siehe z.B. der Referenzbeitrag im international anerkannten Journal of Retailing).

1. Integration der Verkaufskanäle

Die Integration der Verkaufskanäle schreitet bei allen stationären Händlern voran. Neben Ansätzen zur organischen Integration (z.B. über die Erhöhung der kanalübergreifend lieferbaren Produkte, über die Anpassung der Anreizsysteme), entscheiden sich einige Händler auch, externes Wissen zuzukaufen (z.B. Galeries Lafayette).

  • Integration der Warenwirtschaftssysteme: Beispiel Walmart – Erhöhung der online reservierbaren Artikel, die direkt in der Filiale abgeholt werden können, von acht auf 20 Millionen (Quelle: RetailDive, 27.10.2016)
  • Angleichung der Anreizsysteme: Umsatzbeteiligung für über Tablets im Laden online bestellte Waren bei Galieria Kaufhof, um den Verweis auf andere Verkaufskanäle im Sinne eines Omni-Channel-Ansatzes zu fördern (Quelle: Lebensmittelzeitung, 12.08.2016)
  • „Anorganisches“ Omnichannelwachstum: Galeries Lafayette kauft den Onlinehändler BazarChic um sich Wissen über und Verkaufsmöglichkeiten in Online-Outlets anzueignen (Quelle: Business of Fashion, 05.09.2016)

2. Hinwendung der Online-Händler zu stationären Konzepten

Das derzeit meistdiskutierte Thema ist die Hinwendung von Online-Händlern zur Innenstadt. Hier zeigt sich, dass die am häufigsten diskutierten Beispielunternehmen (Amazon, Google, Otto) weniger auf hohen Umsatzanteil im Offlinehandel setzen, als vielmehr ihre Markenbekanntheit durch „Flagship Stores“ steigern möchten. Andere Onliner nutzen Offlinefilialen zum Abverkauf (z.B. Zalando). Nur wenige ursprüngliche „Pure-Player“ nutzen den stationären Handel als gleichrangigen Verkaufskanal (z.B. myToys). Besonders der starke Wettbewerb, und die damit verbundenen hohen Kosten im Online-Marketing, aber auch die Erschließung neuer Kundensegmente lassen die Ergänzung der elektronischen um stationäre Verkaufsformate derzeit attraktiv erscheinen.

  • Bekanntheitstreiber mit geringem Umsatzanteil: Zahlreiche Online-Händler eröffnen Filialen, ob Googles Flagship-Store in London, Amazons sechs Buchläden in den Vereinigten Staaten oder die Läden der Otto-Töchter „Edited“, „Collins“ und „About You“ in Hamburg. Zalando vertreibt schon seit Längerem auch stationär, aber eher um Restartikel abzuverkaufen. In diesem Sinne kann man auch die Eröffnung von Pop-Up-Stores durch Onlinehändler wie Warby Parker (Brillen), Bonobos (Mode) oder Amazon betrachten.
  • Erschließung neuer Kundensegmente: Ein Gegenbeispiel ist, wie das ursprünglich reine Online-Unternehmen myToys zeigt, dass bestimmte Kundensegmente leichter im stationären Handel gewonnen werden können und so ein deutlicher Umsatzanteil erwirtschaftet wird – das Unternehmen betreibt mittlerweile 16 Filialen.
  • Geringere Kundegewinnungskosten: ein Rechenbeispiel verdeutlicht, dass bei Kosten pro Klick von einem Euro im Onlinehandel die Filialumsätze, mit denen eine vergleichbare Profitabilität erzielt werden kann, nicht hoch sein müssen (siehe folgenden Beitrag auf Gründersszene, 11.10.2016).

3. Einbindung der Angebote stationärer Händler

Drei Beispiele verdeutlichen, wie Online-Größen ihr Angebot durch die Hinzunahme stationärer Händler erweitern möchten.

  • Im Zuge seiner Plattform-Strategie versucht z.B. Zalando schon seit über einem Jahr, das Angebot lokaler Händler auf der Webseite einzubinden und für diese zu liefern (Quelle: neuhandeln.de, 21.03.2016).
  • Google beitreibt einen ähnlichen Ansatz, wenn auch in deutlich größerem Umfang, mit seinem GoogleExpress-Angebot in mehreren Ballungsräumen der Vereinigten Staaten.
  • Amazons Lieferdienst Fresh versucht, lokale Spezialitäten-Händler einzubinden, um ein Alleinstellungsmerkmal zu erzeugen.

Zusammenfassung: Omni-Channel im deutschen Handel

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die immer stärkere Verbindung der einzelnen Verkaufskanäle im Handel voranschreitet, wie auch schon in einem früheren Beitrag diskutiert. Die Optimierungseinheit des Handels wird so das gesamte Verkaufs­kanal­ökosystem, und nicht mehr der einzelne Verkaufskanal – der Handel bewegt sich von Multi- zu Omni-Channel. Dabei spielen die Verkaufskanäle ihre jeweiligen Stärken aus – sei es bei der Gewinnung neuer Kunden, oder der Zuverfügungstellung einer großen Auswahl. In dieser Perspektive geht es nicht mehr um ein Kanal A gegen Kanal B, sondern nur noch darum, Konsumenten möglichst gut in das Ökosystem des Händlers zu bekommen, und diese dort zu halten – egal in welchem Kanal letztendlich der Kauf passiert.


Dieser Artikel ist Teil einer Serie zum Umgang des On- und Offline-Handels mit der größeren Anzahl von Verkaufskanälen. Lesen Sie auch den Beitrag zu Gründen, warum der Onlinehandel offline geht, oder die Zusammenfassung einer Studie zu Reaktion des stationären Handels auf den E-Commerce.