Auszug aus der Studie „Mittelstandskredite in Zeiten des digitalen Wandels – Crowdlending in Deutschland“ (Januar, 2016)
Crowdlending, die Vergabe von Krediten über Online-Marktplätze durch private und institutionelle Investoren, ist international bereits ein Phänomen von beachtlicher Größe. Im Jahr 2015 erreichte das vermittelte Kreditvolumen nach mehreren Jahren zweistelligen Wachstums weltweit geschätzt rund 50 Milliarden USD, für 2020 sagen Branchenexperten nahezu eine Verzehnfachung des Marktvolumens auf 490 Milliarden USD voraus (Morgan Stanley, 2015).
Der deutsche Crowdlending-Markt ist, trotz starken Wachstums im Jahre 2015, deutlich kleiner als seine internationalen Pendants. Jedoch sind zahlreiche neue Anbieter, wie etwa Crosslend, im vergangenen Jahr in den Markt eingetreten. Auch haben die beiden Marktführer, Auxmoney im Privatkreditbereich (ca. + 100%, Auxmoney (2015), altfi DATA (2016a)) und Funding Circle in der Finanzierung von Mittelstandskrediten (ca. + 530%, altfi DATA (2016a)), im Jahr 2015 starke Zuwächse verzeichnet. Dennoch wurden bis Anfang 2016 nur 5% des europäischen Crowdlending-Volumens in Deutschland vergeben (altfi DATA, 2016c).
Mehrere Faktoren sprechen für weiterhin positive Wachstumsaussichten. Einerseits zeigt der kontinentaleuropäische Markt deutlich stärkeres Wachstum als der im Vereinigten Königreich (altfi DATA, 2016b, Liberum, 2015), dem mit 85% weitaus größten Markt in Europa (altfi DATA, 2016c). Zweitens wird erwartet, dass das Volumen an vergebenen Krediten zumindest zum Teil zum britischen aufschließt (altfi DATA, 2016b).
Gleichzeitig bezweifeln kritischere Stimmen ein analoges Wachstum zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich. Als Hauptgrund dafür wird im Wesentlichen das deutsche, lokal verankerte dreigliedrige Bankensystem genannt, welches zu einer guten Kreditversorgung des Mittelstands in der Breite führe und mit dem mittelständische Unternehmen zufrieden seien (Deloitte, 2015). Einige Bankvertreter erkennen zwar die Innovationskraft der Kreditmarktplätze an, fordern jedoch eine regulatorische Gleichstellung (Ausschuss Digitale Aganda des Deutschen Bundestages, 2015; Bankenverband, 2015), welche weiteres Wachstum der digitalen Marktplätze gefährden könnte.
Die Sicht des Kunden auf die neuen Digitalangebote aus dem Netz wurde in der Debatte um die Wachstumsaussichten des Crowdlendings in Deutschland bisher wenig beachtet. Welche Beweggründe haben kleine Unternehmen und Privatleute, sich über Kreditmarktplätze wie Funding Circle und Auxmoney Geld zu leihen, anstatt zu ihrer Bank zu gehen? Und welche Schlüsse können aus diesem Verhalten über die Entwicklungschancen des Crowdlendings in Deutschland abgeleitet werden?
Diese Fragen beantwortet die vorliegende Studie erstmals für das Segment der Unternehmenskredite. Dazu wurde im Oktober 2015 eine repräsentative Befragung der Kreditnehmer kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) durchgeführt, die über die führende deutsche Plattform Funding Circle Deutschland eine Finanzierung beantragt und/oder erhalten haben. Kernergebnisse sind:
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- Die Befragten schätzen Crowdlending als schneller, flexibler und einfacher ein als eine Finanzierung über die Hausbank und begründen damit ihr Interesse. Die Innovativität des Geschäftsmodells, Unterschiede in den Finanzierungskosten oder der Mangel an persönlicher Beziehung spielen dagegen eine untergeordnete Rolle.
- Die Hausbank bleibt weiterhin der erste Finanzierungspartner der KMU. Allerdings wird Crowdlending von den Befragten zunehmend als Alternative wahrgenommen. Dies gilt insbesondere für Kreditnehmer, die über diese Finanzierungsform eine Projektfinanzierung erhalten haben. Neben den traditionellen Anbietern sehen sie Online-Kreditmarktplätze als zweiten Gesprächspartner.
- Die Befragung deutet nicht auf eine Nutzung von Crowdlending als letztes Finanzierungsmittel bei Problemen mit der Finanzierung hin. Zwar nehmen die Nutzer von Crowdlending die Finanzierungssituation allgemein als schwierig wahr, geben dies aber nicht als Motivation für die Nutzung von Kreditmarktplätzen an.
- Bisher nutzen insbesondere kleine Unternehmen (weniger als 1 Mio. Umsatz, circa 10 Mitarbeiter) Crowdlending.
Zusammenfassend erscheint es, dass die Unternehmen vor allem die Merkmale am Crowdlending schätzen, die aus dem Geschäftsmodell der digitalen Peer-to-Peer-Finanzierung erwachsen (z. B. höheres Tempo, mehr Flexibilität, weniger Bürokratie). Daher könnte die neue Konkurrenz aus dem Internet insbesondere traditionellen Hausbanken, wie die Sparkassen und Volksbanken, unter Druck setzen. Diese stehen vor einer doppelter Herausforderung: Einerseits müssen sie in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld Profitabilität durch Restrukturierung sichern (Stichwort: Filialsterben). Andererseits könnte gerade dadurch dem Management dieser Kreditinstitute die Aufmerksamkeit dafür fehlen, auch im bestehenden Geschäftsmodell den Kundenwünschen nach Komfort, Geschwindigkeit und Transparenz zu entsprechen. Die digitalen Marktplätze setzen also etablierte Marktteilnehmer vor Herausforderungen – ein Trend, mit dem bereits der stationäre Buch- und Bekleidungshandel konfrontiert wurde.
Unabhängig von der Perspektive zum Crowdlending wird 2016 ein spannendes Jahr für die Mittelstandsfinanzierung in Deutschland. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die noch jungen Marktplätze ihr bisher starkes Wachstum fortsetzen können.
Der vorliegende Post ist ein Auszug aus der Studie „Mittelstandskredite in Zeiten des digitalen Wandels – Crowdlending in Deutschland“ die Sie hier gratis herunterladen können. Der zugehörige Forschungsbeitrag, veröffentlicht im Journal of Retailing and Consumer Services, findet sich hier.
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