Der Auswahl eines geeigneten Standortes kommt im Einzelhandel entscheidende Bedeutung zu. Nicht umsonst lautet ein gängiges Sprichwort im Handel, dass die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Geschäftserfolg „Lage, Lage und Lage“ seien. Schon vor Jahrzehnten stellten Forscher daher fest, dass die „Auswahl eines Standortes vielleicht die wichtigste Entscheidung ist, die ein Händler treffen muss“ (Craig et al. 1984). Bestehende Ansätze zur Standortauswahl sind für viele, vor allem kleinere Händler, aber häufig zu aufwendig und komplex. In einem Forschungsprojekt zur Standortauswahl im Handel in Großstädten haben wir am Beispiel Leipzigs einen alternativen Ansatz untersucht: kartenbasierte Standortauswahl auf Basis von Skalierungsmaßen.
Hintergrund: Bedeutung der Standortauswahl im Handel
Der Standort eines Ladens ist so wichtig, da er sowohl Umsatz als auch Kosten entscheidend beeinflusst. Dies gilt auch im Zeitalter des Omni-Channel-Handels, wie die Schließung der am wenigsten attraktiven Galeria-Kaufhof-Standorte zeigt. Natürlich spielen ladenspezifische Faktoren, wie Größe, Sortiment oder das Personal eine sehr wichtige Rolle für den Umsatz. Aber der Standort entscheidet darüber, welches Potential ein bestimmter Laden hat. Denn die Anzahl und Art der Passanten und deren Kaufkraft, die Erreichbarkeit und allgemeine Attraktivität der Umgebung beeinflussen, wie viel Umsatz ein Laden potentiell erzielen kann. In einer „toten Ecke“ in einer C-Lage, beispielsweise, kann kein Laden mit viel Laufkundschaft rechnen. Andererseits geht eine hohe Standortattraktivität häufig auch mit Konkurrenz einher. Konkurrierende Unternehmen an einem Standort bedeuten hierbei sowohl Wettbewerb um mögliche Kunden, aber sie stellen gleichzeitig auch einen zusätzlichen Besuchsanreiz für Konsumenten dar.
Aber auch die Kosten werden maßgeblich durch den Standort beeinflusst. Die Miete eines Ladens ist im Regelfall standortabhängig. Dabei laufen Gewerbemietverträge meist mehrere Jahre, was eine starke finanzielle Bindung an einen Standort bedeutet. Diese „versunkenen“ oder irreversiblen Kosten werden durch hohe Anfangsinvestitionen einer Standorteröffnung, wie Umbauten oder Ladenausstattung verstärkt. Teils bauen Händler sogar eigene Handelsimmobilien. Mit der Entscheidung für einen Standort binden sich Händler daher finanziell für mehrere Jahre.
Die Entscheidung für oder gegen einen Standort stellt deshalb ein Risiko für Händler dar, da eine Standortentscheidung langfristige Kosten erzeugt, aber das Umsatzpotential einer Lage sich schwer einschätzen lässt. Dieses Risiko wird umso höher, je kleiner das Handelsunternehmen ist: wohingegen große Handelsketten es verschmerzen können, wenn ein Standort nicht „so läuft“, wie erhofft, hängt das Schicksal von kleinen Händlern häufig am Erfolg oder Misserfolg einer einzigen Filiale.
Traditionalle Ansätze zur Schätzung der Attraktivität eines Standorte
Da eine Vielzahl von Faktoren die Attraktivität eines Standortes beeinflussen (z.B. Bevölkerung und Kaufkraft, Durchgangsverkehr), hat die Forschung teils komplexe Modelle mit zahlreichen Variablen entwickelt, um das Potential eines Standortes vor einer Standortentscheidung zu bestimmen. Die Lösung wird hier aber zum Teil des Problems, denn durch die Modell-Komplexität müssen Händler großen Aufwand betreiben, um diese Modelle mit Daten zu füttern und zu berechnen. So bleibt die Umsetzung von Prognosemodellen zum Standortpotential und die Anschaffung der zugrunde liegenden Daten für Händler häufig zu kompliziert und zu teuer – wie zahlreiche Interviews aber auch Forschungsarbeiten zeigen (Hanner et al. 2015; Hernández und Bennison 2000). Deshalb nutzen selbst große Handelsketten häufig nur einfache Indikatoren oder vertrauen auf das Bauchgefühl erfahrener Standortplaner. Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung von Standortentscheidungen, kann dies keine Lösung sein.
Kartenbasierte Ansätze zur Schätzung der Attraktivität eines Standorte
Genau an diesem Punkt setzt unser Forschungsprojekt an: mittels kartenbasierter Standortauswahl versuchen wir, Händlern einen frei zugänglichen und einfach interpretierbaren Anhaltspunkt für Attraktivität und Potential einer Lage zu geben. Unser Ansatz beruht auf dem wissenschaftlich etablierten Zusammenhang von Standortattraktivität und Skalierung (d.h. Wachstum) einer Stadt (Bettencourt 2013). Durch diesen Zusammenhanges ist es uns möglich, auf Basis frei zugänglicher Karteninformationen eine Schätzung des Potentials eines Standortes „aus der Vogelperspektive“ zu liefern. Gleichzeitig können wir diese Informationen um eine Betrachtung der Konkurrenzsituation anreichern. Das Resultat sind Attraktivitätskarten (sogenannte „Heatmaps“) die als Informationspunkt für Standortentscheidungen dienen können. Unser Ansatz gibt die Standortattraktivität bzw. das Standortpotential im Vergleich zu anderen Lagen im Stadtgebiet wieder, kann aber keine genaue Umsatzschätzung liefern, da vor allem die Art des Ladens (Sortiment, Größe, etc.) den tatsächlichen Umsatz entscheidend bestimmt. Unser kartenbasierter Ansatz wird im Folgenden vorgestellt.
Mit dem Ansatz der kartenbasierten Standortauswahl hoffen wir, besonders kleinen Händlern eine Entscheidungshilfe bei der Standortauswahl geben zu können. Diese „Demokratisierung“ der Standortauswahl war besonderes Ziel des Forschungsprojektes, welches durch das Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Leipzig gefördert, und vom Handelsverband Sachsen und City Leipzig Marketing e.V. inhaltlich begleitet wurde. Hierbei erheben wir nicht den vermessenen Anspruch, eine exakte Prognose für jeden Standort und Händler liefern zu können. Wir hoffen aber, mittels unserer Attraktivitäts- und Wettbewerbskarten zur Objektivierung der Standortauswahl in Leipzig beitragen zu können.
Informationsmaterial
Hier erhalten Sie Zugang zu den Attraktivitäts- und Wettbewerbskarten des Leipziger Stadtgebietes.
Hier erhalten Sie Zugang zum begleitenden Arbeitspapier.
Mehr Forschungsbeiträge auf dem Handels.blog: