Die Schließung der Filialen von Galeria Kaufhof Karstadt: Eine erste Analyse

Ende Juni hat Galeria Kaufhof Karstadt entschieden, welche 62 der 172 Standorte geschlossen werden. Die betroffenen Standorte reichen von Berlin bis Worms. Der Auswahl des richtigen Standortes kommt im Handel eine entscheidende Bedeutung zu. Von außen lässt sich jedoch nur schwer nachvollziehen, nach welchen Kriterien die Filialen ausgewählt wurden. Dieser Beitrag wagt eine erste Analyse aus der Vogelperspektive und findet dabei Erwartbares und Überraschendes.

Überblick über die Schließungen

Folgende Abbildung gibt einen Überblick über die Schließungen nach bestimmten Kriterien, wie Stadtgröße, Lage oder Region. Alle Analysen beruhen auf frei zugänglicher Daten und einer Standortbetrachtung per Karte. Mit mehr Informationen (z.B. zu den Eigentumsverhältnissen oder Mietverträgen) wäre eine genauere Analyse möglich gewesen. Insgesamt wurden 36% aller Filialen geschlossen (62 von 172).

Kriterien der Schließung der Filialen von Galeria Kaufhof Karstadt

Bei der Betrachtung der Schließungen von Galeria Kaufhof Karstadt lassen sich drei Beobachtungen machen:

1. Konsolidierung der Filialen in Großstädten

Die Konsolidierung der Filialen fand vor allem in Großstädten statt: 45% aller Schließungen erfolgten in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Dort lag die Schließungswahrscheinlichkeit einer Filiale bei 52%. In Städten wie Berlin (6 von 11 Filialen, ≙ 55%), Hamburg (5/8, ≙ 63%), München (3/8, ≙ 38%), Bremen (2/2, ≙ 100%), Frankfurt (2/3, ≙ 66%), Düsseldorf (2/3, ≙ 66%), Nürnberg (2/3, ≙ 66%) oder Köln (1/4, ≙ 25%) fand eine deutliche Bereinigung statt. Dies überrascht, da alle Städte mindestens 170.000 Einwohner pro Filiale hatten. Allerdings befinden sich beispielsweise in Berlin (KaDeWe), Hamburg (Alsterhaus) und München (Oberpollinger) weitere – wenn auch höherpreisig ausgerichtete – Kaufhäuser der auch zu Signa gehörenden KaDeWe Group.

Erkennen kann man eine teilweise Bereinigung von Doppelstandorten auch in kleineren Großstädten, zum Beispiel in Bonn, Braunschweig, Mainz, Mannheim oder Mönchengladbach. Es überrascht hingegen, dass keine Entscheidung gegen kleinere Städte als solche sichtbar wird: sowohl in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern, als auch solchen mit mehr als dieser Anzahl wurde circa ein Drittel der Filialen geschlossen. Auch das Einwohnerwachstum scheint keine Rolle zu spielen: in Städten mit einer negativen Bevölkerungsentwicklung lag die Schließungsrate nicht höher, als in Städten mit einer positiven Entwicklung.

Auch bestimmte Regionen wurden nicht von den Schließungen bei Galeria Kaufhof Karstadt ausgenommen: Filialen in den neuen Bundesländern beispielsweise machen zwar nur 6% aller Schließungen aus, aber doch wurden hier 33% aller Filialen geschlossen (verglichen mit 36% in den alten Bundesländern). Das liegt vornehmlich daran, dass es in den neuen Bundesländern einfach weniger Filialen gab und gibt. Als Bundesland ist Nordrhein-Westfalen deutlich am stärksten betroffen (18 Schließungen, ca. 42% aller Filialen).

2. Konsolidierung außerhalb der Innenstadt

Die Konsolidierung der Filialen betraf vor allem Filialen außerhalb der Innenstadt: dort wurden 58% aller Filialen geschlossen – in der Innenstadt hingegen nur 32% aller Filialen. Besonders betroffen waren auch Filialen in Einkaufszentren (43% geschlossen vs. 34% außerhalb von Einkaufszentren; beruhend auf einer Schnell-Klassifizierung mittels Google und Google-Maps).

Diese beiden Konsolidierungsbereiche (Bereinigung in Großstädten; Schließungen nicht-innerstädtischer Lagen) erscheinen wirtschaftlich schlüssig, da die Nachfrage nach Warenhäusern zurückgeht. Denn Warenhäuser erfüllen vor allem zwei Funktionen: (1) Reduktion der Suchkosten durch ein möglichst breites Angebot in mehreren Produktkategorien, welches physisch getestet werden kann (z.B. anprobiert oder gefühlt), in Kombination mit der (2) direkten Verfügbarkeit von Produkten. Mit beiden Funktionen stehen Warenhäuser im direkten Wettbewerb zur Onlinebestellung: Online-Warenhäuser, wie Amazon, bieten zwar ein breiteres Angebot, aber machen Produkte weder direkt erlebbar, noch sind die Produkte sofort verfügbar.

Ein Teil der Konsumenten schätzt deshalb weiterhin das Angebot der Warenhäuser – aber dieser Teil der Konsumenten nimmt ab. Zugespitzt: jüngere und online-affinere Konsumenten haben vermutlich weniger Probleme mit Auswahlbestellungen, sind wahrscheinlicher Premium-Mitglied bei großen Onlineversendern (z.B. Amazon Prime) und fühlen sich durch das eher konservative Angebot der Warenhäuser weniger angesprochen.

In Großstädten, in denen mehrere Warenhäuser verfügbar sind, kann man erwarten, dass diejenigen Verbraucher, für die ein Einkauf im Warenhaus weiterhin attraktiv ist, auch bereit sind, längere Wege auf sich zu nehmen. Hier erscheinen besonders Innenstadtlagen interessant, da viele Verbraucher dort häufiger vorbei kommen (z.B. auf dem Weg zur Arbeit), und noch andere Dinge oder Einkäufe erledigen können. Auch lassen sich in Randlagen deutlich weniger „Beikäufe“ von ungerichteten Käufern (z.B. Touristen) erzielen.

3. Die Rolle unbeobachtete Treiber

Die Konsolidierung scheint aber auch stark von unternehmensinternen und anderen unbeobachteten Treibern beeinflusst zu sein. Obwohl ein gewisses Muster in der Konsolidierung erkennbar ist (siehe Punkte 1 und 2), verwundern zahlreiche Entscheidungen doch. So bleiben zahlreiche Filialen in direkter Nähe zueinander weiter offen: zum Beispiel in Darmstadt, Freiburg, Saarbrücken oder Wiesbaden. Auch die Offenhaltung mehrerer Filialen in eher kleinen Städten, die auch kein großes Einzugsgebiet haben, verwundert (z.B. Viernheim nahe Mannheim oder Siegburg nahe Bonn). Hier spielen vermutlich Erwägungen wie die Eigentumsverhältnisse der Filialen oder die Länge des laufenden Mietvertrages eine Rolle, auch wenn das von außen nicht stichhaltig beurteilt werden kann. Es bleibt auch zu vermuten, dass politischer Druck und der Verhandlungsprozess mit der Arbeitnehmervertretung eine Rolle gespielt haben. Aber auch zahlreiche standortspezifische Treiber (z.B. Nähe zu Frequenzbringer) sind in einer ersten Analyse aus der Vogelperspektive, wie sie hier vorliegt, nicht zu erfassen.

Nur teils eine kohärente Konsolidierungsstrategie

Insgesamt lässt sich aus der Schließung der Filialen nur teils eine kohärente Konsolidierungsstrategie erkennen. Bereinigungen in stark mit Warenhäusern versorgten Großstädten und der Fokus auf die Innenstadt ergeben Sinn. Weder liegt aber ein klarer Fokus auf Metropolen, noch ist eine Abkehr von den zahlreichen Warenhäusern in Mittelstädten unter 100.000 Einwohnern erkennbar, wie vor der Bekanntgabe der Schließungen häufig vermutet wurde. Einzig die Abkehr von Randlagen, besonders solchen in Shopping-Centern, kennzeichnet zahlreiche Filialschließungen.

Ausblick

Wie geht es weiter? Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt ohne Kenntnis des unternehmensinternen Entscheidungsprozesses nicht sagen. Da die Nachfrage nach Warenhäusern im modernen Omni-channel-Handel mittelfristig vermutlich weiter sinken wird, scheinen weitere Schließungen in Mittelstädten wahrscheinlich. Auch die Konsolidierung von Doppelstandorten erscheint vor dem Hintergrund der internen Nachfragekannibalisierung erwartbar.

Warenhäuser wird es weiterhin geben und eventuell sogar als profitables Geschäft. Aber dann vermutlich nur an Standorten, die sich für die Betreiber lohnen, weil sie genug Frequenz und Nachfrage versprechen.